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Torstraße Blues: Aperol, Abgase, Selbstbetrug

  • Autorenbild: Jack Bennett
    Jack Bennett
  • 19. Sept.
  • 1 Min. Lesezeit

Prenzlauer Berg, Samstagabend.


Die Torstraße ist ein einziges Open-Air-Restaurant, nur ohne den Charme von Paris und ohne den Geschmack von Rom. Stühle und Tische stehen so weit draußen, dass du praktisch schon im Fahrradstreifen oder direkt neben dem Auspuff sitzt. Man muss nur die Hand ausstrecken, und der nächste SUV spült dir die Asche vom Zigarettenfilter.


Die Drinks? Schlecht gemixter Aperol Spritz für zwölf Euro. Mehr Zucker als Orangensaft und trotzdem so bitter, dass du dich fragst, ob der Barkeeper aus Trotz oder aus Unfähigkeit handelt. Aber hey, Hauptsache der Drink sieht auf Instagram so aus, als würdest du gerade den Sommer deines Lebens haben. Geschmack ist Nebensache – Filter drüber und fertig.

Und das Beste: die kostenlose Zugabe. Während andere Bars mit „Happy Hour“ werben, gibt’s hier „Carbon Monoxide for free“. Jeder Atemzug ein kleiner Vorgeschmack auf COPD, jedes Lachen gewürzt mit Dieselpartikeln. Das ist keine Gastro-Szene, das ist eine Langzeitstudie über kollektive Selbstvergiftung.


Die Leute? Sitzen da mit ihrem Macchiato-Schaumlächeln, tun so, als hätten sie die Welt verstanden, während sie auf der Torstraße sitzen wie Versuchskaninchen im Stresstest. Kinderwagen im Stau, Aperol im Anschlag, Smartphones als Lebensader. Berlin verkauft dir Beton und Abgase als Lifestyle – und alle nicken dankbar.


Und die Kids? Kein Wunder, dass sie weichgekocht im Kopf sind. Aufgewachsen zwischen Shisha-Bar-Playlist und Dieselwolke. Input null, Output null. Manchmal denk ich: Die eigentliche Droge hier ist nicht Hasch oder Vodka – es ist die Dauerberieselung aus Lärm, Abgas und Mittelmaß.


Prenzlauer Berg – einst rau und echt, heute nur noch Kulisse für Selbstbetrug. Wer hier draußen sitzt, kriegt nicht „das echte Berlin“, sondern maximal eine gratis Feinstaub-Inhalation.


Willkommen im Torstraße-Blues.

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