Minimalismus und andere Lügen
- Jack Bennett

- 1. Juli
- 2 Min. Lesezeit
Ich hab versucht, mich zu reduzieren.
Hab Bücher weggeschmissen, die ich nie gelesen hab.
Ordner gelöscht. Den Kleiderschrank ausgemistet.
Jede Schublade mit dieser Marie-Kondo-Mentalität durchforstet, als könnte ich damit meine Überforderung wegsortieren.
Was übrig blieb? Zwei Jeans. Drei T-Shirts. Und eine Leere, die nicht inspirierend, sondern einfach nur… leer war.
Minimalismus wird verkauft wie ein Heilversprechen.
Weniger Dinge, mehr Klarheit.
Weniger Besitz, mehr Freiheit.
Weniger Lärm, mehr Sein.
Ich sag dir was:
Weniger Besitz ist geil, wenn du vorher viel hattest.
Aber wenn du dich sowieso schon halb aufgibst, ist „weniger“ keine Befreiung – es ist nur der nächste Schritt in Richtung Unsichtbarkeit.
Ich hab neulich ein TikTok gesehen.
Ein Typ, der sein minimalistisches Leben zeigt.
Keine Möbel. Ein Löffel. Eine Matratze auf dem Boden.
„Das macht mich frei“, sagt er.
Ich hab ihn angeschaut und gedacht:
„Digga, du brauchst keinen Minimalismus. Du brauchst eine Umarmung.“
Früher dachte ich:
Wenn ich alles loslasse, was mich belastet, werd ich leichter.
Turns out:
Manchmal ist das Gewicht das Einzige, was dich noch am Boden hält.
Ich wohne in Berlin.
Hier wird Minimalismus zelebriert wie Religion.
Weiße Wände, Designermöbel, Menschen, die sagen: „Ich bin kein Konsument mehr, ich bin Kurator.“
Und ich sitze da, mit meiner halb kaputten Mokkakanne, einem Regal voller Bücher mit Eselsohren, einem Stuhl, der quietscht –
und denk:
„Vielleicht ist das genau mein Glück: dass hier nichts glatt ist.“
Ich will keinen leergeräumten Raum, in dem meine Gedanken hallen.
Ich will Leben. Ecken. Kanten. Kratzer im Holz.
Und ein verdammtes Sofa, auf dem man sich fallen lassen kann – mit all dem, was man ist.
Nicht trotz, sondern wegen dem ganzen Zeug.
🎶 Soundtrack für das Aufräumen, das nichts heilt:
- Radiohead – Everything in Its Right Place
Spoiler: Ist es nie.
- Beirut – The Rip Tide
Wenn du versuchst, Ordnung in einen Sturm zu bringen.
- Mazzy Star – Fade Into You
Weil alles irgendwann weich und traurig klingt, wenn man zu lange allein in einem cleanen Raum sitzt.
💬 Zitate, die du dir nicht auf deine Wandtattoos kleben solltest:
„Ich hab weniger Dinge. Aber immer noch zu viel an der Backe.“
„Weniger ist mehr – sagen Leute, die das Meiste schon hatten.“
„You don’t need more space. You need less bullshit.“
🧻 Take-Aways (auf einem zerknitterten Kassenbon von deinem letzten Versuch, dich zu retten):
Minimalismus heilt nicht. Er kaschiert nur kurz.
Weniger Dinge bedeuten nicht weniger Schmerz.
Du darfst behalten, was dich tröstet – auch wenn’s nicht cool aussieht.
Leere Räume machen nicht frei. Sie hallen bloß anders.
Dein Leben ist kein Pinterest-Board. Es darf unordentlich sein.
Letzter Satz:
Ich hab aussortiert. Und gemerkt, dass das, was ich wirklich loswerden muss, kein Gegenstand ist – sondern dieser verdammte Druck, perfekt zu wirken.




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